Kinder an die Macht

Der Generation von morgen eine Stimme

Verankerung und Praxis politischer Partizipationsformen von Kindern und Jugendlichen in Österreich

Am 20. November 2019 feierte die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) von 1989 ihr 30-jähriges Jubiläum. Bereits 196 Staaten, darunter auch Österreich, sind der Konvention beigetreten, was sie zu einem der meist unterzeichneten völkerrechtlichen Verträge der Welt macht.1United Nations Treaty Collections, Status of Treaties – Convention on the Rights of the Child, 20. Nov. 1989, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-11&chapter=4&clang=_en (Stand: 08.02.2020).

Klar ist, dass auch Kinder Träger*innen von Menschenrechten sind, jedoch sind die in der KRK geregelten Kinderrechte noch spezifischer. Denn sie sollen der besonderen gesellschaftlichen Position von Kindern gerecht werden, die als Personen grundsätzlich vom demokratischen Prozess ausgeschlossen sind.

Im Sinne der KRK ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sofern „Kind” als Bezeichnung in diesem Text verwendet wird, gilt dafür diese Definition. Wird die Bezeichnung „Jugendliche*r” verwendet, sind davon Kinder zwischen 14 und einschließlich 17 Jahren erfasst.

Das Recht auf Partizipation ist neben dem Vorrang des Kindeswohls, der Gleichbehandlung und dem Recht auf Entwicklung eines der Grundprinzipien, auf denen die KRK beruht.2Markowska-Manista/Avi Tsur/Batia Gilad, Janusz Korczak und die Rechte der Kinder, in: Maier-Höfer (Hrsg.), Kinderrechte und Kinderpolitik: Fragestellungen der Angewandten Kindheitswissenschaften (2017) 13ff. Dieses Prinzip der Partizipation ist das Ergebnis eines Paradigmenwechsels, da Kinder von nun an nicht mehr bloß als Schutzbefohlene ihrer Eltern, sondern als handlungsfähige Rechtssubjekte zu betrachten sind.3Ebd. Konkretisiert wird dieses Prinzip mit dem Recht auf Beteiligung in Artikel 12 KRK. Dieser beinhaltet sowohl die Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Kindes als auch die Verpflichtung, den Willen des Kindes in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten zu berücksichtigen. Aus dieser Formulierung geht hervor, dass Partizipation eine Querschnittsmaterie ist: Zur Verwirklichung der Kinderrechtskonvention muss es effektive Formen der Beteiligung in Schulen, innerhalb der Familie, in der Freizeitgestaltung und auf politischer Ebene geben. Dieser Artikel geht hauptsächlich auf die Aspekte politischer Partizipation von Kindern ein.

In Österreich wird in diesem Zusammenhang gerne auf die erfolgreiche Senkung des Wahlalters hingewiesen, die Jugendlichen ab 16 Jahren politische Mitbestimmung ermöglichen sollte. Irreguläre Formen der Partizipation, wie Demonstrationen und Protestaktionen junger Menschen werden dagegen oft kritischer gesehen, wie auch jüngst die öffentliche Debatte zur Fridays for Future Bewegung gezeigt hat. Dass effektive politische Beteiligung von Kindern mehr braucht als die Möglichkeit, ab einem bestimmten Alter wählen zu gehen, darauf wird in der Wissenschaft immer wieder hingewiesen.4Partetzke/Klee in Gürlevik/Hurrelmann/Palentien, Jugend und Politik: Politische Bildung und Beteiligung von Jugendlichen (2016) 34ff;
Liebel, Vom Kinderschutz zur politischen Partizipation?, ZSE 26/2006, 86 (94).

Der Begriff der Partizipation ist in der jüngeren politischen Debatte immer beliebter geworden und wird verwendet, um den Demokratiegehalt politischer Maßnahmen hervorzuheben. Doch wie steht es tatsächlich um die Partizipationsrechte von Kindern? Wie finden sie Eingang in das Gesetz und auf welchen Ebenen bestehen effektive Formen politischer Partizipation? Welche Beteiligungsstrukturen sollten Kindern zur Verfügung stehen?

Unzulängliche Verankerung der Kinderrechte in der österreichischen Verfassung

Bereits 1992 ratifizierte Österreich die KRK, jedoch unter einem Erfüllungsvorbehalt.5 Stenographisches Protokoll 26.06.1992, 74. Sitzung NR XVIII. GP. Das bedeutet, der völkerrechtliche Vertrag sollte nicht direkt als solcher Teil der österreichischen Rechtsordnung werden. Stattdessen sollten die in der Konvention verankerten Rechte durch ein eigenständiges Bundesgesetz in nationales Recht transformiert werden.6Neuhold/Reinisch, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts5 I (2013) Rz 535.

Erst viel später wurden mit dem Bundesverfassungsgesetz Kinderrechte 2011 (BVG Kinderrechte) wenige der aus der Konvention hervorgehenden Rechte als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verankert. Abgesehen von Art 24 der EU- Grundrechtecharta, der sich ebenso auf die KRK stützt, ist das BVG Kinderrechte das einzige Gesetz, welches Kinderrechten in Österreich explizit grundrechtlichen Schutz verschafft. Umso bedenklicher ist, wie bescheiden dieses Gesetz ausgestaltet ist: Das Verfassungsgesetz enthält lediglich sechs Artikel, die materielle Rechte einräumen. Bedenklich ist vor allem, dass die in der KRK enthaltenen sozialen Rechte, Verfahrensgarantien und Schutzbestimmungen für geflüchtete Kinder vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt wurden. Diese selektive, unsystematische Kodifizierung verhindert, dass die Idee der KRK, nämlich umfassende kinderspezifische Grundrechtsgarantien zu schaffen, verwirklicht wird.7 Vgl. Sax, Statement Verfassungsausschuss 2011, https://bim.lbg.ac.at/sites/files/bim/Statement%20Sax%20Verfassungsausschuss%202011-01-13.pdf (Stand: 12.02.2020).

In dem Bundesverfassungsgesetz findet man in Art 4 das Recht auf Partizipation. Jene Bestimmung besagt „Jedes Kind hat das Recht auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.“ Diese sowie die meisten anderen Bestimmungen werden jedoch gemäß Art 7 unter einen Gesetzesvorbehalt gestellt. Das bedeutet, die Ausübung dieses Rechts kann durch eine gesetzliche Regelung beschränkt werden, sofern diese „eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist“. Zurecht kritisierte Kinderrechtsexperte Helmut Sax neben Jugendorganisationen und Parteien8Vgl. Sax, Verfassungsausschuss;
Vgl. Netzwerk Kinderrechte; Kinderrechte in der Verfassung: ungenügend, unbeachtet, unwürdig!Netzwerk Kinderrechte warnt vor bevorstehender lückenhafter Verankerung, https://www.kinderhabenrechte.at/index.php?id=116 (Stand: 02.02.2020);
Vgl. Stenographisches Protokoll 20.01.2011, 93. Sitzung NR XXIV. GP, 87f.
diesen Vorbehalt, weil er sich auch auf die Prinzipien des Kindeswohls und der Partizipation bezieht.9 Vgl. Sax, Verfassungsausschuss. Die programmatischen Grundsätze des Kindeswohls und der Partizipation sind eben nicht (nur) Grundrechte, sondern Leitprinzipien, die einem solchen Gesetzesvorbehalt nicht zugänglich sein sollten.10 Vgl. ebd. Dementsprechend wurde auch bei der Formulierung der KRK bei diesen Bestimmungen auf solch einen Gesetzesvorbehalt verzichtet. Der Einbau des Vorbehalts in das BVG scheint sachlich nicht gerechtfertigt und wie eine Vorsichtsmaßnahme des Bundesgesetzgebers. Darüber hinaus lässt sich argumentieren, dass die Bestimmung in Artikel 4 KRK durch den Wortlaut „in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise“ selbst schon eine Einschränkung beinhaltet. Im Ergebnis wird durch diese restriktive Ausgestaltung die verfassungsgesetzliche Verankerung der Kinderrechte in zweifacher Weise eingeschränkt.

So wurde bereits durch die misslungene Gestaltung des BVG die Durchschlagskraft des Rechts auf Beteiligung abgeschwächt. Wie so oft hat sich der Gesetzgeber bei einer gesetzlichen Umsetzung für eine halbherzige Lösung entschieden. Durch die vielen Kompromisse und Einschränkungen bei der Transformation der KRK wurden deren zentralen Inhalte ausgehöhlt.

Ausgestaltung auf Länderebene

Abgesehen vom BVG Kinderrechte und dem aktiven Wahlrecht ab 16 Jahren findet man auf Bundesebene keine gesetzliche Konkretisierung politischer Partizipationsrechte von Kindern.  Zwar gibt es eine gesetzlich verankerte Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche, die Bundesjugendvertretung. Diese sieht ihre finanziellen und personellen Mittel aber im Gegensatz zu anderen gesetzlichen Interessenvertretungen als zu gering an, um im politischen Prozess ein ausreichendes Maß an Partizipation gewährleisten zu können. 11 Vgl. APA, Bundesjugendvertretung veröffentlicht Analyse des Regierungsprogramms. Die BJV zeigt positive Aspekte und Schwachstellen für Kinder und Jugendliche auf. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200220_OTS0030/bundesjugendvertretung-veroeffentlicht-analyse-des-regierungsprogramms (Stand: 20.02.2020)

Teilweise sind politische Partizipationsrechte von Kindern auf Länderebene in den Länderverfassungen und/oder in Jugendgesetzen12ARGE Partizipation, Beteiligung als Recht, https://www.jugendbeteiligung.at/beteiligung-als-recht (Stand: 15.03.2020). enthalten. Hier fällt auf, dass es zwischen den Ländern große Unterschiede sowohl in der gesetzlichen Festschreibung von Partizipationsrechten als auch in ihrer praktischen Ausgestaltung gibt. Manche Landesgesetze, wie z.B. das Vorarlberger Jugendgesetz, sehen die Verpflichtung zur Schaffung und finanziellen Förderung von Formen der Jugendbeteiligung vor.13 Vgl  §§ 3, 5, 6, 7 Vlbg Kinder- und Jugendgesetz. In anderen Bundesländern findet die Partizipation von Kindern hingegen nur begrenzt Erwähnung. So hat Kärnten 2017 zwar die Schüler*innenparlamente in der Landesverfassung verankert, ansonsten fehlt in der Ausgestaltung der Landesgesetze jedoch das Element der Jugendpartizipation.14BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen, unterschieden nach Lebensbereichen 2017, 8,  https://www.frauen-familien-jugend.bka.gv.at/ (Stand: 15.03.2020);
ARGE Partizipation, Beteiligung als Recht, https://www.jugendbeteiligung.at/beteiligung-als-recht (Stand: 15.03.2020)
In Oberösterreichischen Landesgesetzen, wird die Partizipation von Kindern überhaupt nicht erwähnt. 15BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten 2017, 6.

Dabei bedeutet eine etwaige allgemein formulierte landesgesetzliche Vorgabe zur Einrichtung von Beteiligungsmechanismen nicht, dass eine tatsächliche Einbindung von Kindern in Prozesse der Landesgesetzgebung erfolgt. Zwar gibt es in manchen Bundesländern (Salzburg, Steiermark, Burgenland) einmal jährlich veranstaltete Jugendlandtage, jedoch ist der Ablauf in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich und meist auch undurchsichtig. Jugendliche können dort zwar Forderungen erarbeiten und diese an Vertreter der Landtage stellen. Problematisch ist aber, dass Jugendlandtage kaum eine gesetzliche Basis haben16Nur in Salzburg findet sich die Pflicht zur Abhaltung eines Jugendlandtags in §82 Abs 6 der Geschäftsordnung des Salzburger Landtags. und es keinen zwingenden Mechanismus gibt, durch den vorgegeben wird, inwieweit die Forderungen der Jugendlichen im Landtag bearbeitet werden. Am Ende liegt es dann bei den Fraktionen des Landtags, ob sie die Forderungen in eigenen Anträgen aufgreifen wollen. Doch selbst wenn die Forderungen der Jugendlichen umgesetzt werden sollten, bleibt der Anschein, dass es sich hierbei lediglich um einen symbolischen Partizipationsakt handelt. Denn die Jugendlandtage bieten nur verhältnismäßig wenigen Jugendlichen eines Bundeslandes (etwa 30-60 Teilnehmer*innen) eine Bühne, um ihre Anliegen vorzubringen und dies nur einmal jährlich. 17Beteiligung.st, Bericht zum Jugenlandtag 2019, https://mitmischen.steiermark.at/cms/beitrag/12471057/77477194 (Stand: 15.03.2020); ORF Burgenland, Jugend übernimmt den Landtag,  https://burgenland.orf.at/v2/news/stories/2942745/ (Stand: 15.03.2020); Land Salzburg, Salzburger Jugendlandtag 2018, https://www.salzburg.gv.at/pol/landtag/jugendlandtag/jugendlandtag_2018 (Stand: 15.03.2020);

Kritisch zu betrachten ist dabei auch das Auswahlverfahren zur Teilnahme an den Jugendlandtagen. Es wird zwar offenkundig darauf geachtet, dass Personen aus verschiedensten Bereichen partizipieren, fraglich ist bei einem Blick auf den Verteilungsschlüssel dennoch, inwieweit hier aber offen Parteipolitik betrieben wird.  So werden für den Salzburger Jugendlandtag nur zehn offene Stellen ausgeschrieben, während die restlichen Teilnehmer*innen v. a. von politischen Parteien nahestehenden Schüler*innen- und Jugendorganisationen beschickt werden.18 Akzente Salzburg, Akzente Bildung und Partizipation, https://www.akzente.net/fachbereiche/bildung-partizipation/jugendlandtag/?fbclid=IwAR0Vz2RtZXbawegKAleId2dhis02zriU9IeVKG9eTQGTlyCp1bEqfofN32E (Stand 01.06.2020). Im Burgenland werden die jugendlichen Abgeordneten sogar direkt von den Fraktionen des Landtags ausgewählt, womit die Mandate zumeist an Funktionär*innen der Jugendorganisationen der Parteien gehen.19 Kurier, Jugendlandtag soll nach nächster Sitzung reformiert werden, https://kurier.at/chronik/burgenland/jugendlandtag-soll-nach-naechster-sitzung-reformiert-werden/400151487 (Stand: 01.06.2020) Es stellt sich also die Frage, ob für die Anliegen der Jugendlichen unabhängig von ihrem (parteipolitischen) Hintergrund genügend Platz bleibt.

Unter Berücksichtigung dieser Probleme fordern Jugendorganisationen immer wieder die Stärkung von Partizipationsformen auf Ebene der Gemeinde.20 Bundesjugendvertretung, Positionspapier Partizipation, https://www.bjv.at/politik/beteiligung/ (Stand: 16.02.2020). Dort stehen die Chancen besser, nachhaltig eine partizipative, repräsentative politische Kultur zu schaffen.

Partizipation auf Gemeindeebene

Vor allem die Gemeinden bilden einen besonders geeigneten Rahmen für Jugendpartizipation.21Weber, Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in das Landesrecht, in: Berka/Grabenwarter/Weber: Studien zur Kinderrechtskonvention und ihrer Umsetzung in Österreich (2014) 98, https://www.kija-ooe.at/194.htm (Stand: 15.03.2020); Dies hat mehrere Gründe. Zunächst bildet die Gemeinde das unmittelbare Lebensumfeld von Kindern. Viele Themen, bei denen eine Einbindung von Kindern sinnvoll ist, wie etwa Ortsplanung, Ortspolizei, Umwelt und Freizeit, werden im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen. Außerdem erfolgt die Formung und Implementierung von politischen Inhalten in Gemeinden aufgrund der territorialen Größe meist relativ unbürokratisch und überschaubar. Dadurch wird es einfacher, dass Forderungen von Kindern Resonanz im politischen Prozess finden. 

In diesem Zusammenhang liegt die Bedeutung von Landesgesetzen also hauptsächlich darin, dass sie die Rahmenbedingungen für politische Partizipation auf Gemeindeebene setzen können. Denn im Hinblick auf den Stufenbau der Rechtsordnung wird das Handeln der Gemeindeorgane durch das höherrangige Bundes- und Landesrecht beschränkt. In ihrem eigenen Wirkungsbereich können die Gemeinden innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens handeln.22Berka, Verfassungsrecht7  (2018) Rz 788.

Sieht Landesrecht, wie z.B. das Vorarlbergische Jugendgesetz, eine allgemein gehaltene Verpflichtung zur Schaffung solcher Beteiligungsmechanismen vor, müssen Gemeinden solche einrichten, wobei es aber diesen überlassen bleibt, welche Art von Gremien sie schaffen möchten. Als effektiv hat sich die Beteiligungsform der Jugendräte erwiesen.23 (BJV Lettner Maria, Statement) Diese können als kontinuierliche Gremien eingerichtet werden, in denen Jugendliche in Gemeindeausschüssen zur Beratung miteinbezogen werden.24 BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten, 46. Es gibt Jugendräte aber auch in anlassbezogener Form, wobei junge Menschen per Zufallsprinzip ausgewählt werden, die dann für ein bestimmtes lokales Thema Lösungsvorschläge erarbeiten.25 Ebd. Hier zeigt sich, dass aufgrund der differenzierten Verwirklichung von Jugendbeteiligung in den Ländern und Regionen, dieselben Bezeichnungen (also bspw. „Jugendrat”) eine völlig andere Bedeutung haben können. 

Selbst in Ländern mit programmatischen gesetzlichen Vorgaben ist also die Verwirklichung von Partizipationsprojekten in den Gemeinden zurzeit noch vom Gutdünken der Bürgermeister*innen abhängig. Dies führt dazu, dass Jugendpartizipation regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Eine konkrete gesetzliche Verankerung in den Landesgesetzen der Bundesländer mit einer Regelung zur finanziellen Förderung von Jugend-Partizipationsprojekten wäre ein erster Schritt, um Gemeinden in die Pflicht zu nehmen und bestimmte Formen der Beteiligung zu schaffen. 

Den Fokus auf die Partizipation auf Gemeindeebene zu setzen soll selbstverständlich nicht bedeuten, dass Kinder sich nicht mit überregionalen Themen wie z.B. Umweltschutz beschäftigen sollen. Vielmehr soll die Jugendarbeit in der Gemeinde den Grundstein setzen. Denn neben der politischen Bildung in Schulen ist die Partizipation selbst ein entscheidender Faktor, um das politische Interesse von Kindern zu fördern.

Conclusio

Zurzeit beschränkt sich der Begriff der Jugend-Partizipation leider in vielen Fällen auf reine Rhetorik und findet nur symbolisch Eingang in die gelebte politische Kultur. Auch wenn der Schutz der Kinderrechte ein willkommenes politisches Thema ist, zeigte die sehr späte und unzulängliche rechtliche Umsetzung der Kinderrechtskonvention, dass Österreich bei der tatsächlichen Schaffung von Grundrechtsgarantien dennoch zögerlich bleibt. In der praktischen Umsetzung gibt es zwar auf Ebene der Bundesländer vereinzelt vorbildhafte Projekte der Jugendbeteiligung, jedoch fehlt es offenbar in vielen Fällen noch am politischen Willen, die Gemeinden zur Schaffung von wirksamen Beteiligungsstrukturen zu verpflichten. Es darf zuletzt auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Frage nach der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Kindern als politische Akteur*innen, bei der Forderung nach mehr Beteiligung eine wichtige Rolle spielt. Denn wer Kinder bloß mitwirken „lässt“ und deren Beteiligung mehr als pädagogische Übung als einen Wert an sich ansieht, bevormundet sie abermals. Ältere Generationen müssen aus der konservativen Denkweise heraustreten, die es nicht wahrhaben möchte, dass junge Menschen wertvolle Ideen und Lösungsvorschläge zu politischen Problemen haben, die möglicherweise klüger sind, als ihre eigenen.

Antonia Heidl

Quellen   [ + ]

1. United Nations Treaty Collections, Status of Treaties – Convention on the Rights of the Child, 20. Nov. 1989, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-11&chapter=4&clang=_en (Stand: 08.02.2020).
2. Markowska-Manista/Avi Tsur/Batia Gilad, Janusz Korczak und die Rechte der Kinder, in: Maier-Höfer (Hrsg.), Kinderrechte und Kinderpolitik: Fragestellungen der Angewandten Kindheitswissenschaften (2017) 13ff.
3. Ebd.
4. Partetzke/Klee in Gürlevik/Hurrelmann/Palentien, Jugend und Politik: Politische Bildung und Beteiligung von Jugendlichen (2016) 34ff;
Liebel, Vom Kinderschutz zur politischen Partizipation?, ZSE 26/2006, 86 (94).
5. Stenographisches Protokoll 26.06.1992, 74. Sitzung NR XVIII. GP.
6. Neuhold/Reinisch, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts5 I (2013) Rz 535.
7. Vgl. Sax, Statement Verfassungsausschuss 2011, https://bim.lbg.ac.at/sites/files/bim/Statement%20Sax%20Verfassungsausschuss%202011-01-13.pdf (Stand: 12.02.2020).
8. Vgl. Sax, Verfassungsausschuss;
Vgl. Netzwerk Kinderrechte; Kinderrechte in der Verfassung: ungenügend, unbeachtet, unwürdig!Netzwerk Kinderrechte warnt vor bevorstehender lückenhafter Verankerung, https://www.kinderhabenrechte.at/index.php?id=116 (Stand: 02.02.2020);
Vgl. Stenographisches Protokoll 20.01.2011, 93. Sitzung NR XXIV. GP, 87f.
9. Vgl. Sax, Verfassungsausschuss.
10. Vgl. ebd.
11. Vgl. APA, Bundesjugendvertretung veröffentlicht Analyse des Regierungsprogramms. Die BJV zeigt positive Aspekte und Schwachstellen für Kinder und Jugendliche auf. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200220_OTS0030/bundesjugendvertretung-veroeffentlicht-analyse-des-regierungsprogramms (Stand: 20.02.2020)
12. ARGE Partizipation, Beteiligung als Recht, https://www.jugendbeteiligung.at/beteiligung-als-recht (Stand: 15.03.2020).
13. Vgl  §§ 3, 5, 6, 7 Vlbg Kinder- und Jugendgesetz.
14. BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen, unterschieden nach Lebensbereichen 2017, 8,  https://www.frauen-familien-jugend.bka.gv.at/ (Stand: 15.03.2020);
ARGE Partizipation, Beteiligung als Recht, https://www.jugendbeteiligung.at/beteiligung-als-recht (Stand: 15.03.2020)
15. BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten 2017, 6.
16. Nur in Salzburg findet sich die Pflicht zur Abhaltung eines Jugendlandtags in §82 Abs 6 der Geschäftsordnung des Salzburger Landtags.
17. Beteiligung.st, Bericht zum Jugenlandtag 2019, https://mitmischen.steiermark.at/cms/beitrag/12471057/77477194 (Stand: 15.03.2020); ORF Burgenland, Jugend übernimmt den Landtag,  https://burgenland.orf.at/v2/news/stories/2942745/ (Stand: 15.03.2020); Land Salzburg, Salzburger Jugendlandtag 2018, https://www.salzburg.gv.at/pol/landtag/jugendlandtag/jugendlandtag_2018 (Stand: 15.03.2020);
18. Akzente Salzburg, Akzente Bildung und Partizipation, https://www.akzente.net/fachbereiche/bildung-partizipation/jugendlandtag/?fbclid=IwAR0Vz2RtZXbawegKAleId2dhis02zriU9IeVKG9eTQGTlyCp1bEqfofN32E (Stand 01.06.2020).
19. Kurier, Jugendlandtag soll nach nächster Sitzung reformiert werden, https://kurier.at/chronik/burgenland/jugendlandtag-soll-nach-naechster-sitzung-reformiert-werden/400151487 (Stand: 01.06.2020)
20. Bundesjugendvertretung, Positionspapier Partizipation, https://www.bjv.at/politik/beteiligung/ (Stand: 16.02.2020).
21. Weber, Die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in das Landesrecht, in: Berka/Grabenwarter/Weber: Studien zur Kinderrechtskonvention und ihrer Umsetzung in Österreich (2014) 98, https://www.kija-ooe.at/194.htm (Stand: 15.03.2020);
22. Berka, Verfassungsrecht7  (2018) Rz 788.
23. (BJV Lettner Maria, Statement)
24. BMFJ, Beteiligungsmöglichkeiten, 46.
25. Ebd.

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