Es ist schon wieder was passiert – im Asylrecht

Wieder einmal ist das Asylgesetz Gegenstand von Novellierungsvorhaben. Schon im Regierungsprogramm wurden Verschärfungen angekündigtdie sich im kürzlich ergangenen Gesetzesentwurf manifestiert haben. Dabei unterliegt gerade dieses als besonders sensibel geltende Gesetz, für welches Kontinuität sehr wichtig und der Vertrauensschutz hochzuhalten wäre, seit seiner Erlassung 2005 einem „stakkatoartige[n] Aufeinanderfolgenlassen von Novellen“ (ehemaliger VfGH-Präsident Gerhart Holzinger). Dies ist freilich allen Regierungen seit 2005 anzulasten. Flüchtende haben daher nur wenige Möglichkeiten, sich im Vorhinein zu informieren, welche Aussichten sie tatsächlich auf Asyl, subsidiären Schutz oder ein Bleiberecht haben. Erschwert wird auch die Vorhersehbarkeit behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen, die Entwicklung einer gefestigten Rechtsprechung oder eine ausgedehnte Behandlung durch die Lehre.

2017 haben 45% aller am VfGH eingelangten Fälle das Asylrecht betroffen. Auch am VwGH machten diese Fälle einen großen Teil der anhängigen Verfahren aus. Gegen einen negativen Bescheid des BFA kann zunächst nämlich Bescheidbeschwerde an das BVwG erhoben werden; wird diese abgewiesen, kann entweder bei Verletzung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts Beschwerde an den VfGH oder bei einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Revision an den VwGH erhoben werden. Anhand der immer größer werdenden Zahl von Abschiebungen, insbesondere nach Afghanistanlässt sich jedenfalls eine Tendenz hin zu einer restriktiveren Handhabung von Asylfällen durch die (höchstgerichtliche) Rechtsprechung ablesen.1Vgl VfGH 12.12.2017, E 2068/2017; VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001. Ob dabei politischer Druck und drohende Amtsrevisionen – das Innenministerium hat die Möglichkeit, Entscheidungen des BVwG beim VwGH anzufechten, wenn es sie für rechtswidrig hält – eine Rolle spielen, sei dahingestellt.

Die österreichischen Gerichte sehen in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative für sämtliche Schutzsuchende aus Afghanistan. Dabei lassen sie sich nicht davon beirren, dass das Außenministerium für das ganze Staatsgebiet die höchste Reisewarnstufe ausgesprochen hat. Denn derartige Warnungen sollen sich nach der Rechtsprechung nur an österreichische Staatsbürger*innen richten und deshalb noch kein Argument gegen eine Rückführung darstellen.2Vgl zB VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0323. Der Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan hat Aurvasi Patel, UNHRC-Vizechefin in Kabul, im März widersprochen: Diese habe sich im gesamten Land so massiv verschlechtert, dass Abschiebungen dorthin zurzeit nicht möglich seien. Das bestätigt mittlerweile auch ein sehr ausführliches Gutachten der Anthropologin Friederike Stahlmann, das ein deutsches Verwaltungsgericht in Auftrag gegeben hatte.

Wenn Rückführungen menschenrechtlich nicht zulässig sind, welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, um die Anzahl der Asylanträge, die Innenminister Kickl für zu hoch befindet, zu verringern? Einige der bereits erfolgten Vorstöße, wie die Deckelung der Mindestsicherung in manchen Bundesländern oder die verkürzte Beschwerdefrist im Asylverfahren, wurden bereits als nicht verfassungskonform aufgehoben. Andere, wie Gebietsbeschränkungen für Asylsuchende im Zulassungsverfahren (in dem geprüft wird, ob Österreich insbesondere nach der Dublin-III-VO überhaupt zuständig ist), Ausgangssperren oder die Unterbringung in Großquartieren, sollen wohl einerseits Menschen von der Flucht nach Österreich abhalten und andererseits schon hier aufhältige Asylsuchende zur freiwilligen Ausreise bewegen. Ob diese Maßnahmen jedoch mit Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) vereinbar sind, kann aufgrund der starken Einschränkung im Privatleben der Betroffenen zumindest angezweifelt werden. Wieder andere, hier ist vor allem die Kürzung der finanziellen Mittel für Integration zu nennen, tragen wohl kaum zu einer Entspannung der gesellschaftlichen Lage bei, da die Akzeptanz von Flüchtlingen in der österreichischen Bevölkerung stark mit funktionierender Integration zusammenhängt.

 

Auch was die geplanten, noch restriktiveren Regelungen betrifft, bestehen große Bedenken im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Konformität. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer hält beispielsweise das Vorhaben, Bargeld der Asylsuchenden zu konfiszieren, für nicht zulässig. Es widerspreche, genauso wie das angedachte Abnehmen ihrer Handys, wohl Art 8 EMRK und könnte laut dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak sogar eine erniedrigende Behandlung gem Art 3 EMRK darstellen. Auch die Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht könnte Art 8 EMRK verletzen, jedenfalls aber handelt es sich um eine äußerst bedenkliche Maßnahme, da die Verschwiegenheitspflicht essentiell für die Privatsphäre der Betroffenen ist.3Vgl ebenda. Auch der Idee, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Asylangelegenheiten auszuschließen (sie wurde erst mit der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2014 ermöglicht), steht wohl die Verfassung entgegen: So sieht Art 133 B-VG vor, dass gegen Entscheidungen von Verwaltungsgerichten Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden kann; einfachgesetzliche Ausnahmen von diesem Grundsatz können nach Abs 9 nur für bestimmte Beschlüsse von Verwaltungsgerichten vorgesehen werden, nicht aber für Erkenntnisse, die das Verfahren erledigen. Für dieses Vorhaben wäre wohl ein Verfassungsgesetz notwendig. Jedenfalls würde eine solche Maßnahme einen Rückschritt bedeuten und zudem nur eine Verlagerung auf den VfGH bewirken – was auch vonseiten der Höchstgerichte selbst kritisiert wird.

 

Die geplante einheitliche Regelung der Mindestsicherung hat in den letzten Wochen für Diskussionen gesorgt, wollte die Regierung sich doch anfänglich am niederösterreichischen Modell orientieren, welches vom VfGH als verfassungswidrig eingestuft wurde. Daraufhin wurden nun die groben Züge einer Grundsatzgesetzgebung nach Art 12 B-VG präsentiert, die einige Verschärfungen der Mindestsicherung mit sich bringen sollen, wie etwa eine flexible Deckelung oder den gänzlichen Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter.

 

Die Verfassungskonformität vieler Vorhaben und bereits erfolgter Vorstöße der Regierung ist, wie eben aufgezeigt, fragwürdig. Dass dahinter populistisches Kalkül steckt, nicht aber menschen- oder verfassungsrechtliche Überlegungen, ist aufgrund der hohen Sensibilität des Asylrechts umso bedenklicher.

Johanna Maringer

Quellen   [ + ]

1. Vgl VfGH 12.12.2017, E 2068/2017; VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001.
2. Vgl zB VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0323.
3. Vgl ebenda.

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